Man erzählt sich entlang der Donau, dass jedes Kieselchen am Ufer ein Stück Erinnerung trägt. Zwischen den Wellen, die im Takt des Donauwalzers fließen, ruhten einst Spuren jener Epoche, als römische Legionen das Land durchzogen. Es war zu jener Zeit, als in den Auen noch das Ur-Rind lebte – kraftvoll und unbeeindruckt von Mensch und Witterung.
Das Wasser der Donau war damals anders. Ihre Fließeigenschaft folgte einem gleichmäßigen Rhythmus, gespeist von Nebenarmen, die sich wie silberne Äderchen durch die Landschaft zogen. Die Legionen jedoch, die um das Jahr 15 v. Chr. ihre Lager entlang des Stroms errichteten, begannen, die Flussläufe gezielt zu verändern: Sie begradigten Ufer, stauten Nebenarme, errichteten provisorische Brücken, um ihre Versorgungslinien zu sichern.
Mit diesen Eingriffen veränderte sich der Strom. Wo zuvor das Wasser sanft mäanderte, entstanden neue Strömungsprofile. Sedimente lagerten sich anders ab, die Augebiete verlandeten stellenweise, während andere plötzlich überflutet wurden. Für die Ur-Rinder, die sich an wechselnde Feuchtwiesen angepasst hatten, bedeutete das eine schleichende Katastrophe. Zuerst verschwanden die besten Weidegründe, dann die Jungtiere, schließlich die Herden. Das Gleichgewicht zwischen Tier, Wasser und Land löste sich unmerklich – Opfer eines planmäßigen, aber unachtsamen militärischen Ordnungssinns.
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Am Ufer, Jahrhunderte später, erinnern zehn sonderbare Fundstücke an diese Ära: ein Kühlschrank, ein gelber Regenschirm, eine Zitrone, eine Taschenlampe, ein Papagei, eine Rolle Klopapier, ein Wanderschuh, ein Keks, eine Briefmarke und ein zerstörtes Rennauto. Manche Archäologen deuten sie als Zufallsfunde der Neuzeit, andere erkennen in ihnen Symbolobjekte – eine ironische Anordnung des Flusses selbst, der nie vergisst, was im Lauf seiner Geschichte geschieht.
Im glitzernden Abendlicht weht der Wind ein fernes Echo herüber – vielleicht die Melodie des Donauwalzers, vielleicht das Klirren römischer Rüstungen, die einst am Ufer aufmarschierten. Und wenn sich der Papagei aufrichtet und das Wort „alles fließt“ krächzt, dann scheint es, als spräche die Donau selbst. Man begreift: Die Strömung eines Flusses ist nicht nur Wasser in Bewegung – sie ist ein Gedächtnisraum. Und irgendwo, tief unter der kiesigen Sohle, ruht noch der Abdruck eines Ur-Rindes, das einst trank, bevor es verschwand.