Wir sind schuld. Schuld am Terrorismus. Schuld an Bürgerkriegen im Nahen Osten. Schuld an der Gewalt. Durch unsere Bomben und unsere Einmischung werden Terroristen erst motiviert und produziert; ohne westliche Intervention gäbe es sofort ein Ende der Gewalt.

So kann man die Auffassung diverser "Islamversteher" - oder besser: "Islamistenversteher" - wie Jürgen Todenhöfer (oder dessen gläubige Anhänger hier auf FuF wie @robby )zusammenfassen.

Die Frage, wie das denn mit dem ohnehin schon seit knapp nach der Gründung des Islam schwelenden Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten aussieht, der immer schon auch mit Waffengewalt ausgetragen wurde; wie es um innerislamische Minderheiten bestellt ist (Aleviten,...); wie der Umgang mit nichtislamischen Minderheiten (Bahai, Kopten,...) sich ändern würde; was sich denn genau am Vorgehen von Boko Haram ändern würde, wenn der Westen plötzlich "aufhören" würde (ja, womit denn genau aufhören?) - all das bleibt natürlich unbeantwortet.

Aber im Sinne der Verbreitung von Klarheit und der Bekämpfung von dreisten Lügen und - schlimmer noch!- Halbwahrheiten hier ein Konter zu den häufigsten Schwachsinnigkeiten, mit denen man als aufgeklärter Mensch heutzutage konfrontiert wird:

Islamische Länder sind friedlicher als westliche Länder

"Die westliche Welt war in der Neuzeit immer gewalttätiger als die muslimische Welt. Über 60 Mal hat der Westen in den letzten 220 Jahren ein muslimisches Land angegriffen. Seit 1980 haben allein die USA 14 muslimische Länder überfallen, besetzt oder bombardiert. Nicht ein einziges Mal griff in den letzten zwei Jahrhunderten ein muslimisches Land den Westen an."

Da ist sie schon, die Kernaussage! Der Westen ist blutrünstig, der Islam friedlich. Aber sehen wir uns einmal tatsächlich an, wie friedlich muslimische Länder in den letzten 220 Jahren waren!

- Die Barbareskenkriege: 1812 (also vor 205 Jahren!) erklärte Tripolis den USA den KRIEG, weil diese "vereinbarte Tributzahlungen" nicht beglichen hätten. Tributzahlungen, die als "Schutzgeld" vor dem Sklavenhandel (!) der islamischen Barbareskenstaaten diente, die zu diesem Zeitpunkt bereits 1,25 Millionen Europäer als Sklaven erbeutet hatten und wiederholt auch amerikanische Handelsschiffe enterten und die Besatzung versklavten oder nur gegen ein Lösegeld herausgaben. Ein Angriff der amerikanischen Navy machte dem Treiben rasch ein Ende - Teil des aufgezwungenen Friedensvertrages war, dass Tripolis den Sklavenhandel beenden musste - zumindest was christliche Sklaven anging.

- Das osmanische Reich mischte im ersten Weltkrieg fleißig mit; Stichwort Armenier-Genozid; Ziel war auch die Rückeroberung Ägyptens und weiterer Gebiete.

- Seit der Gründung Israels muss dieses wiederholt mit Angriffen aus muslimischen Ländern leben; Wikipedia verfügt über eine vollständige Auflistung aller geschlagenen Kriege, wobei die Agression größtenteils von arabischer Seite ausging; wenn Israel einen Angriff führte, war dies meist die Reaktion auf einen bevorstehenden Angriff oder eine Vergeltungsaktion gegen terroristische Übergriffe.

Das ist nur eine kurze Auflistung der ersten drei Konflikte, die mir eingefallen sind; bei Lust und Laune möge man weitere suchen. Diese drei sind aber bereits ausreichend, um die Kernaussage zu zerstören.

Die Geschichte Israels und der Barbareskenkriege zeigt auch eindeutig, weshalb muslimische Länder so "friedlich" dem Westen gegenüber sind: Sie können militärisch einfach nicht mithalten! Ja, muslimische Länder sind heute die Hauptabnehmer der Rüstungsindustrie - weil diese selbst über keinerlei Know-How verfügen; keine Schwerindustrie, keine High-Tech Branche. Der GRUND für den "Pazifismus" der islamischen Welt gegenüber dem Westen ist ganz einfach eine gravierende militärische Überlegenheit des Westens, die seit 200 Jahren ungebrochen fortbesteht. Untereinander bestehen derartige Vorbehalte aber nicht; man sehe nur die Geschichte Iraks, Iran, Kuwait, Saudi Arabiens und Syriens; diese Länder führen munter miteinander Krieg - und westliche Intervention erfolgte oftmals nach eindringlichem Flehen der arabischen Alliierten! Siehe auch der erste Golfkrieg, zweiter Golfkrieg. Diese innerarabischen Kriege wurden mit einer Brutalität geführt, die für den "Westen" gänzlich unverständlich ist, und die man heute noch im Konflikt Saudi Arabiens mit dem Jemen nachvollziehen kann - Bombardements von Zivilisten, Massaker, die ganze Pallette an Kriegsverbrechen kann man hier aufbereitet sehen (Kinder als Minenräumer auf iranischer Seite; Chemiewaffen durch den Irak...).

Aber das heißt nicht, dass der Islam nicht auch den Westen angegriffen hat in den letzten 220 Jahren! Staatlich geförderter Terrorismus bzw unverhohlene Mordaufrufe (zB die Fatwah gegen Salman Rushdie) waren und sind an der Tagesordnung; die Verbreitung einer intoleranten Ideologie wird in den europäischen Staaten durch Saudi Arabien massiv vorangetrieben, und Teile Bosniens sind bereits durchislamisiert.

Wie es VOR dem willkürlich gesetzten Zeitraum von 220 Jahren ausgesehen hat, darüber möchte ich jetzt keine Ausführungen treffen - zu lange wäre die Liste der muslimischen Versuche, auf dem europäischen Festland mit Gewalt Fuß zu fassen; zu brutal die Geschichte der Eroberungskriege des osmanischen Reiches und davor des Propheten selbst.

Kann mit diesem Wissen irgendjemand die islamische Welt als "friedlicher" als den Westen bezeichnen?!?

Wir müssen nur aufhören mit unseren Bomben, dann hört die Gewalt auf!

„Verschwindet aus unseren Ländern. Dann wird auch der Terrorismus verschwinden.“

Eine einfache, klare Aussage. Aber stimmt diese auch?

Würde die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten aufhören? Die Gewalt gegenüber religiösen Minderheiten? Die Unterdrückung der Frauen?

Würde ein Rückzug aus islamischen Ländern ein Ende bedeuten von Boko Haram, die Mädchen entführen und schwängern und dann als Suizidbomber einsetzen?

Ist mit "unseren Ländern" auch Israel gemeint?

Wäre ohne westliche Intervention Charlie Hebdo verhindert worden? Hätten die Muslime die dänischen Karikaturen dann besser aufgenommen?

Würden die Mordanschläge auf islamkritische Cartoonisten, Schriftsteller, Journalisten und Blogger aufhören?

Kann man überhaupt irgendeine dieser Fragen mit JA beanworten? Oder handelt es sich dabei nicht eher um eine Nachgeben, ein billiges Nachgeben, einen Verzicht auf eigene Werte, eine Täter-Opfer Umkehr? Ich kann mich noch an eine Gerichtsverhandlung erinnern, bei der ich als Rechtspraktikant teilnahm; vorne sitzend der Mann, angeklagt wegen Körperverletzung - Schläge gegen die eigene Frau. In der ersten Zuschauerreihe sitzt die Frau, weinend, heulend - "Es ist ja alles meine Schuld! Hätte ich nicht zurückgeredet!"!

Und was ist überhaupt "westliche Intervention"? Wer interveniert wodurch? Klar; die USA werfen Bomben. Aber was ist mit zB den genannten Karikaturen, die über das Internet verbreitet werden? Ist das ebenfalls "Intervention"? Islamkritische Bücher, die bei uns gedruckt werden und regelmäßig Todesdrohungen für die Verfasser zur Folge haben - ist auch das eine Intervention? Wer sagt uns, wann wir aufgehört haben zu "intervenieren"?

Und vor allem: Müssen ALLE aufhören zu intervenieren, bevor ein Ende der Gewalt da ist? Belgien interveniert nicht im Nahen Osten, dennoch gab es dort 2016 einen verheerenden Anschlag. Trifft "uns" eine Kollektivschuld? Müssen wir ALLE Anschläge erdulden, solange auch nur ein Staat irgendwie "interveniert" - wobei die Definition von Intervention ja ebenfalls nicht uns vorbehalten bleibt, sondern Dritten?

Glaubt tatsächlich irgendjemand, dass es ohne Bomben keine Gewalt gäbe? Oder käme dann der nächste Vorwand?

Halbwahrheiten sind schlimmer als Lügen...

... weil sie zur Hälfte wahr sind. Die hohe Kunst der Manipulation ist es, Teile der Wahrheit so geschickt zu verdrehen, dass selbst aufmerksamen Mitbürgern der Fehler unterlaufen kann, auf den verschwiegenen Teil zu vergessen. Und genau damit haben wir es hier wieder und wieder zu tun. Uns werden "Wahrheiten" präsentiert, die nicht stimmen - oder nur teilweise. Man soll ja nicht hinterfragen, weshalb der gewählte Zeitraum für muslimischen Pazifismus gerade mal 220 Jahre beträgt - was davor war hat nicht zu interessieren! Man soll auch nicht die inhaltliche Aussage anzweifeln - auch wenn wiederum die Hälfte fehlt.

Billigste Manipulation - stellt sich mir die Frage: Wären derartige Beiträge auch "Fake News" und vom neuzugründenden "Wahrheitsministerium" zu zensieren?

... aber nicht so schlimm wie Rassismus!

Am Ende muss man sich die Frage stellen, ob nicht die Behauptung, der Westen alleine trage Schuld an der Gewalt in der muslimischen Welt bzw der Muslime arg rassistisch ist.

Schlussendlich wird den Muslimen generell jeder freie Wille abgesprochen; sie reagieren nur auf die Taten des großen, bösen weißen Mannes. Eine Reflektion, ein selbstständiges Ausbrechen ist den Muslimen in dem gegebenen Narrativ gar nicht möglich, zu übermächtig ("übermenschlich"?) sind die bösen weißen Männer, die an verrauchten Tischen das Geschick der Welt lenken.

Man möge die Erfolgsgeschichten von Japan und teilweise auch China ignorieren, die es trotz westlichem Einfluss zu erfolgreichen Wirtschaftsmächten entwickelt haben, die es ganz ohne Bürgerkriege schaffen, sich selbstständig zu behaupten - alleine ein Blick über den arabischen Tellerrand sollte zeigen, dass sich auch andere Völker dem Einfluss der "weißen Supermänner" entziehen können! Nicht aber so die muslimische Welt; diese ist in einem Kreislauf gefangen, aus dem nur wir, die "Weißen", sie befreien können - indem wir nur unsere Schuld eingestehen und damit Erlösung verschaffen. Muslime nicht als Akteure der Weltgeschichte, sondern nur als "Reakteure", also quasi als Statisten im Weltgeschehen, deren Lebenszweck nur darin besteht, auf unsere Handlungen zu reagieren?

Kann eine Weltanschauung noch rassistischer, noch beschränkter sein?

Kern des Problems?

Der Westen ist nicht schuldlos, das stimmt. Aber KERN des Problems, KERN des islamischen Extremismus ist nicht der Westen. Nicht ihne Grund sind die meisten Opfer des Islamismus andere Moslems - der Kern des islamischen Extremismus ist der Islam selbst, die Hadithen, der Koran. Überall, wo der Islam zuhause ist, findet sich auch der Islamismus wieder - egal, ob der Westen dort "interveniert" oder nicht - Indonesien, Türkei, Ägypten, die Liste ließe sich beliebig um muslimische Länder erweitern.

Damit die muslimische Welt Frieden findet, muss sie den gleichen Prozess durchlaufen, den auch Europa mühsam durchleiden musste: Eine Abkopplung von der Religion, eine "Verspaßung" der Religion - erst, wenn Menschen nicht mehr bereit sind, für ihren Glauben zu sterben und zu töten, wird Frieden in der muslimischen Welt möglich sein.

Und daran werden weder die Bomben noch das Nichtstun des Westens irgendetwas ändern.

DokuJunkie 2016 https://www.youtube.com/watch?v=xj1OdCUKHXI

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