Der Kollaps des Imperiums naht

„Russland steht näher am Kollaps als Sie denken. Russlands Staatsfundamente sind, ähnlich wie sein Militär, viel brüchiger als Moskaus Propaganda versucht, seinen Bürgern und Außenstehenden zu vermitteln. Wirtschaftlicher Niedergang, ein personalisiertes Regime ohne Regelung der Nachfolge und eine drohende militärische Niederlage in der Ukraine werden Konflikte innerhalb der Elite sowie zwischen dem Zentrum (Moskau, d. Red.) und zahlreichen Teil-Republiken sowie Regionen auslösen“, erklärte Janusz Bugajwski der Kyiv Post.

Der 68-jährige Politologe analysiert für den US-amerikanischen ThinkTank „Jamestown Foundation“ Entwicklungen in Osteuropa. „Wir sehen Anzeichen von Konflikten zwischen verschiedenen Machtinstitutionen, mysteriöse Todesfälle von über einem Dutzend Oligarchen und häufige Säuberungen der Militärführung“, meinte der Brite in dem Interview mit der ukrainischen Wochenzeitung.

Putins Einfluss in Russland werde durch Gebietsverluste in der Ukraine, „die der Kreml nicht verbergen kann, und durch stark rückläufige Wirtschaftsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen, wie für das kommende Jahr prognostiziert, erheblich geschwächt“, erklärte Bugajwski. „Der Bruch wird sich beschleunigen, wenn Putin verdrängt wird, da sich interne Machtkämpfe verschärfen und regionale Führer die Gelegenheit sehen werden, neue Staaten zu gründen, ähnlich wie beim Zusammenbruch der UdSSR (1991, d. Red.).“

Bugajwski geht noch weiter. „Die ersten (Republiken), die ihre Souveränität und Unabhängigkeit erklären, werden die ethnisch homogenen nicht-russischen Republiken sein – Regionen, die die Ausbeutung ihrer Ressourcen durch Moskau ablehnen. Und Republiken sowie Regionen, die eine äußere Land- oder Seegrenze zu Nachbarstaaten haben, zusammen mit verwandten Bevölkerungsgruppen“, erklärte er der Kyiv Post.

Zur Einordnung: Nicht nur in Tschetschenien ist die Ausgangslage für kremltreue Machthaber schwierig. Im muslimisch geprägten Inguschetien (rund 400.000 Einwohner), das an Georgien und Tschetschenien grenzt, gibt es schon lange Unabhängigkeitsbestrebungen. Im ersten Halbjahr 2008 wurden hier etwa 70 Polizisten bei bewaffneten Angriffen mutmaßlicher Islamisten getötet.

Laut Spiegel forderte das oppositionelle „Volksparlament Inguschiens“ seinerzeit zudem den Austritt aus der Russischen Föderation. Moskau installierte den russischen Armeegeneral Junus-Bek Jewkurow als Präsident, der im Juni 2009 einen Terroranschlag auf seinen Autokonvoi verletzt überlebte. Ende 2018 gab es indes monatelange Massenproteste, nachdem Gebiete an Tschetschenien abgetreten werden mussten.

Noch ein Beispiel: Dagestan (rund 2,9 Millionen Einwohner) hat am Kaspischen Meer eine lange Küste, grenzt an Aserbaidschan und Georgien. Hier gibt es seit mehr als 20 Jahren immer wieder Terroranschläge gegen Regierungsmitglieder. Laut der Nachrichtenagentur dpa sah sich der Kreml 2012 veranlasst, 30.000 russische Soldaten zu entsenden, um die Kontrolle über die Region samt der Großstadt Machatschkala (rund 600.000 Einwohner) wiederzuerlangen.

Bugajwski: „Man sollte nicht davon ausgehen, dass der Prozess der Ablösung Putins friedlich verlaufen wird.“ (pm)

Quelle: Merkur.de

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