Von der Selbstentfremdung und der Umwandlung von Religion in ein exklusives Extrem

Die schrecklichen Ereignisse in Paris haben auch mich in Schrecken versetzt. Es wurden dutzende Artikel in diesem Kontext geschrieben. Das Satiremagazin Charlie Hebdo wird in Millionenauflage gedruckt und die Menschen reißen sich offenbar darum. Ein dubioser Hype. Der Besitzer des koscheren Supermarktes, in dem vier Menschen ermordet worden sind, wird nach Israel auswandern, eine andere Option gibt es für ihn nicht.

Bei all dem Wahnsinn stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen es gibt, die derartiges Grauen „im Namen des Glaubens“ möglich machen? Ich versuche eine Annäherung.

Jede Religion kann umgedeutet werden. Die IS-Schergen tun dies mit „Bravour“. Der Islam ist eine Buchreligion, der Koran die Grundlage. Wie viele der Kämpfer, Totschläger, Mörder den Koran gelesen haben ist das Eine. Wie viele den Koran tatsächlich in seiner tiefsten Ausprägung verstehen wollen das Andere. Meine Vermutung ist, dass kein einziger der Beteiligten daran interessiert ist, eine Auseinandersetzung mit dem Koran anzustreben. Vielmehr wird dieses heilige Buch als Waffe benutzt.

Die darauf folgende Konsequenz ist der Exklusivitätsanspruch. Nichts soll über den Koran gehen! Und zwar über den Koran, wie ihn die Islamisten für ihre eigenen Zwecke benutzen. Wer mit dieser Exklusivität nicht einverstanden ist, wird sofort zum Feind erklärt. Und Feinde werden verfolgt, missbraucht, umgebracht. Nur ein Exklusivitätsanspruch kann extremistisches Verhalten generieren. Den eigenen „Glauben“ exklusiv hochzuhalten und alles andere geringzuschätzen gebiert Hass auf „Ungläubige“.

Menschen, deren Identität nicht mal ansatzweise ausgebildet ist, tendieren dazu, anderswo diese Identität zu suchen. Der „IS“ ist eine dieser Anlaufstellen. Wer sich dieser Organisation anschließt, wird scheinbar zu einem Teil einer Bewegung, die ihre „Wahrheit“ proklamiert und für gefunden erklärt. Um sich tatsächlich mit diesen „Wahrheitsbesitzern“ identifizieren zu können ist Selbstentfremdung eine wesentliche Komponente. Somit agieren ausschließlich sich selbst verloren gegangene Individuen, die zum Spielball einer Bewegung verwandelt worden sind. Mit Religion hat das logischerweise nichts zu tun.

Selbstentfremdung, Exklusivitätsanspruch und Extremismus ist die Trias, auf der die Irrsinnigkeit des „islamischen Staates“ beruht. Ohne diese Trias fiele dieses System wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Der gegen „Feinde des Glaubens“ gerichtete Terror ist auch Zeichen des Selbsthasses. Die Diskreditierung der eigenen Religion wird vernichtet, erschossen, bis auf die Grundmauern abgebrannt. Der damit einhergehende Antisemitismus hat eine jahrhundertelange Geschichte, dessen Ausprägung nie vergessen werden darf.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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Alex Nowak

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