Wir leben in einer Zeit in der praktisch jedem schon einmal unterstellt wurde ein Faschist zu sein und gleichzeitig in einer Zeit in der sich kaum jemand selber als Faschist bezeichnet.

Das ist kein Zufall.

Der Versuch Faschismus klar zu definieren ist schwierig, auf der englischen Wikipedia finden sich mehr als 20 Definitionen. Tendenz eher steigend. Und auch das ist alles andre als ein Zufall.

Die Vordenker des Faschismus, vor allem aber Giovanni Gentile postulierten dass Faschismus kein Programm habe. Es wäre keine klar definierte Ideologie mit einem entsprechenden Manifest und es wäre keine Religion mit einem heiligen Buch. Die Idee war die Zukunft des Faschismus nicht für Klarheit zu opfern. Was ist aber die Kernidee des Faschismus?

Im Wesentlichen geht der Faschismus von einem Sollzustand aus der nicht wunderbar und utopisch ist, wie etwa der Marxismus oder aber einem wilden und unbarmherzigen Naturzustand wie etwa der Laissez Faire Kapitalismus, sondern aus einer pragmatischen Mischung.

Die Idee ist ein lenkendes Element das im Namen des Gemeinwohls agiert und die restliche Gesellschaft in ihrem Handeln korrigiert sobald sie beginnen gegen das Gemeinwohl zu arbeiten.

Der historische Faschismus im 20. Jahrhundert realisierte das im Wesentlichen durch ein beibehalten des freien Marktes, aber unter Aufsicht. Die Aufsicht übernahm der Staat und beanspruchte für sich das lenkende Element zu sein ("Alles im Staat, nicht ausserhalb des Staats" ). Gleichzeitig definierte der Staat wer Teil des Staates wäre und wer nicht. Elemente die der Staat nicht unter sich haben wollte wurden vertrieben, unterdrückt oder grausam abgeschlachtet.

Das Resultat war eine Bevölkerung die für das definierte Allgemeingut arbeitete. Nicht weil sie wollte sondern weil sie Angst hatte bestraft zu werden. Dieses "Gemeinwohl" selber entpuppte sich rasch als weniger günstig für die Bevölkerung als für den Staat und die Partei die sich selbst zum Staat ernannt hatte. Macht korrumpiert und so viel Macht korrumpiert noch viel schneller.

Die historische faschistische Struktur zeigte spätestens im folgenden Krieg seine Inkompetenz. Wenn derjenige mit mehr Parteijahren Entscheidungen von erfahrenen und bewehrten Experten überschreiben kann, ist das Resultat absehbar.

Der Faschismus verschwand also. Wir erinnern uns aber an das Grundprinzip des Faschismus: Wenn man nicht deklariert was man ist kann man ohne Probleme so tun als wäre man sein eigener Feind.

Ignazio Silone drückte es in den 1950igern mit den Worten „Wenn der Faschismus zurückkommt wird er sich Antifaschismus nennen“ aus.

Gruppen die im Allerwesentlichsten genau dasselbe wie der historische Faschismus wollten, also einen alles lenkenden Staat der für das Gemeinwohl arbeiten sollte, postulierten nun dass sie Feinde des Faschismus wären. Der Faschismus selber wurde über den historischen Faschismus definiert und jeder distanzierte sich in Windeseile von den Verlierern des Krieges. In einem nächsten Schritt wurde allen anderen Ideologien, die sich eben gegen die Ideale des Faschismus stellten, eine Nähe zum Faschismus angedichtet. So wurde etwa postuliert der Kapitalismus sei Faschismus und der Faschismus selber wäre "rechts".

Als Gegenbeispiel kann man den Sozialismus betrachteten. Der Sozialismus hat ein Manifest und eine fixe Ideologie.

Versagt ein sozialistisches Experiment wird rasch von Sozialisten behauptet es wäre gar kein echter Sozialismus gewesen. Diese defensive Taktik ist für historisch geschulte Personen leicht zu durchschauen und eher jämmerlich. Das macht den Sozialisten immer unglaubwürdiger.

Der Faschismus aber geht hier einen Schritt weiter. Nicht nur würde er die Gescheiterten aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden lassen wollen, er rückt sie ins Rampenlicht und tut als ob er sie besiegt hätte.

Der Faschismus ist eine so verschlagene Ideologie eben weil er bereit ist jedem (nicht nur sondern vor allem: anderne Faschisten) in den Rücken zu stechen der ihn davon abhält zu wachsen.

Der Faschismus hat immer das gleiche Ziel: er möchte die Massen zu einen, von ihm definierten, höheren Wohl führen.

Grundlage hierfür ist die Annahme dass das Volk eben zu dumm sei um zu wissen was gut für es ist und es möglich wäre Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. Der Faschismus ist als nur an einer goldenen Zukunft interessiert, die Geschichte ist nur Mittel zum Zweck und wenn man sich eben um 180 Grad drehen muss um weiterzukommen, dann sei das so. Der Faschismus kennt keine Loyalität, Tradition oder gar Konsistenz. Der Faschismus ist das ultimative Fähnchen im Wind das dem Volk immer genau das verspricht das es hören möchte um sich selber zum Herrscher über das Volk zu erheben um ihm dann zu sagen was es zu tun und zu lassen habe.

Der Faschist will herrschen. Alles andere ist optional.

Prinzipiell ist also jede Ideologie die zentralisierte Organisationen, wie etwa den Staat, benutzen möchte um eine Situation zu "verbessern" anfällig für faschistische Unterwanderung. Rezente Sozialisten etwa sind die Ersten die den Sowjetkommunismus als „rot lackierten Faschismus“ bezeichnen. Und in diesem Bereich haben sie Recht. Wo sie aber irren ist dass ihr rezentes Ideal dagegen immun sei.

Echte Antifaschisten sind immer Feinde jeder zentralisierten Macht und hochgradig skeptisch gegenüber dem Begriff des „Allgemeinwohls“.

Eine gesunde Mischung aus Individualismus und Selbstverantwortung ergibt ein recht brauchbares Gegengift gegen faschistische Tendenzen. Wenn man akzeptiert dass man weder Rede noch Handlung seines Nachbarn einschränken sollte, sofern er keinen dritten damit in echte körperliche Gefahr bring, wandelt man den Weg des Antifaschisten.

Glaubt man aber man wüsste was gut und schlecht für seinen Nachbarn ist, läuft man Gefahr in ein Denkmuster abzugleiten das stets nur Unheil brachte.

Und dabei ist es völlig egal unter welchem Banner der Faschismus diesesmal marschiert.

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Claudia56

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Frank und frei

Frank und frei bewertete diesen Eintrag 17.12.2019 08:30:27

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