„Jetzt zeigt euer Gesicht“ – Der Moment der Wahrheit für die AfD-Wähler

Es ist ein leiser, aber unüberhörbarer Riss, der durch die Republik geht. Ein Gutachten des Verfassungsschutzes, trocken im Ton, eindeutig in der Konsequenz: Die Alternative für Deutschland ist in mehreren Bundesländern als erwiesen rechtsextrem eingestuft – und bundesweit ein rechtsextremer Verdachtsfall. Das Bundesverfassungsgericht wird endgültig am Ende über das Gutachten des Verfassungsschutzes entscheiden, davon gehe ich aus. Ein juristischer Befund, ja. Aber auch ein moralischer Spiegel. Denn damit wird aus dem politischen Bauchgefühl eine offizielle Diagnose. Und aus dem Protestwähler plötzlich jemand, der Farbe bekennen muss.

Jetzt zeigt euer Gesicht.

Bislang war es einfach. Man konnte AfD wählen und sich dahinter verstecken: hinter dem Frust über Flüchtlingspolitik, Corona-Maßnahmen oder „Genderwahn“. Hinter dem Satz: „Ich bin ja kein Nazi, aber …“ Doch dieser Satz trägt nicht mehr. Wer heute AfD wählt, entscheidet sich bewusst. Für eine Partei, deren führende Köpfe das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ verunglimpften, die demokratische Institutionen verhöhnt und ganze Bevölkerungsgruppen entrechten will. Wer jetzt noch ein Kreuz bei der AfD macht, weiß, was er tut.

Man wird sich entscheiden müssen: Stehe ich auf der Seite der Demokratie – oder stelle ich mich zu denen, die sie zerstören wollen?

Die soziale Maske fällt

Die Wirkung des Gutachtens entfaltet sich nicht nur auf Papier. Sie ist gesellschaftlich. Beruflich. Persönlich. Niemand wird mehr sagen können: „Ich hab’s nicht gewusst.“ Die Wahl zur AfD wird zur öffentlichen Positionierung – mit Konsequenzen. Kollegen schauen genauer hin. Freundeskreise werden wacher. Arbeitgeber beginnen zu fragen: Will ich jemanden beschäftigen, der eine rechtsextreme Partei unterstützt?

Die Geschichte kennt solche Kipppunkte. In den 1950er Jahren war es das Verbot der SRP, der Sozialistischen Reichspartei – einem Auffangbecken für Altnazis. Als das Bundesverfassungsgericht sie 1952 als verfassungswidrig verbot, endete der Versuch, die NS-Ideologie unter neuem Namen zu etablieren. Und mit dem Verbot kam die soziale Ächtung.

Ein noch treffenderes Beispiel ist jedoch die NPD.

Zweimal wurde versucht, sie zu verbieten – zuletzt 2017. Das Verfassungsgericht kam zu einem eindeutigen Schluss: Die NPD ist rassistisch, völkisch, verfassungsfeindlich. Nur zu unbedeutend, um gefährlich zu sein. Doch auch ohne Verbot war die Wirkung fatal: Die Partei wurde politisch isoliert, gesellschaftlich geächtet, juristisch entwaffnet.

Wer sich öffentlich zur NPD bekannte, stellte sich selbst ins Abseits. Der Begriff „Nazi“ war damit klar zugeordnet. Die Partei fiel – nicht juristisch, sondern sozial.

Und genau da steht nun die AfD – an der Schwelle zur selben Isolation. Mit dem Unterschied: Sie ist größer, erfolgreicher, gefährlicher. Doch auch sie könnte fallen – wenn die Maske erst einmal endgültig gefallen ist.

Der stille Rückzug – und das Schweigen der Funktionäre

Schon jetzt verlassen erste Kommunalpolitiker die Partei. Leise. Ohne Pressemitteilung. Nicht aus Reue, sondern weil der Preis steigt. Denn plötzlich reicht es nicht mehr, auf „die da oben“ zu schimpfen. Jetzt geht es um die eigene Verantwortung. Um das, was bleibt, wenn das Protestvokabular entblößt wird – und darunter das nackte Ressentiment sichtbar wird.

Wer in diesen Tagen AfD-Plakate klebt, trägt ein Etikett: Mitläufer oder Überzeugungstäter. Beide sind gefährlich. Doch die Mitläufer, die noch hoffen, man könne Rechtsextremismus schönreden oder verharmlosen, könnten nun abspringen – wenn sie den Mut dazu finden.

Eine Partei ohne Maske

Die AfD hat sich radikalisiert. Nicht in Hinterzimmern, sondern auf offener Bühne. Mit Höcke, Krah, Bystron, 2x Kotré.... Mit dem Schulterschluss zur Neuen Rechten, zu identitären Kreisen, zu Demokratieverächtern. Die bürgerliche Maske ist gefallen. Was bleibt, ist ein harter ideologischer Kern – und ein beängstigendes Echo auf den Marktplätzen des Ostens. Doch dieses Echo ist nicht unvermeidlich. Es ist formbar. Denn auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gibt es Menschen, die sich weigern, den demokratischen Konsens aufzugeben.

Die Frage ist: Wie viele Menschen wollen wirklich als Nazi gelten?

Wie viele tragen diese Partei weiter – und wie viele springen ab, wenn sie erkennen, dass sie plötzlich selbst gemeint sind?

„Es ist die Stunde der Entscheidung. Für Wähler. Für Funktionäre. Für alle, die glauben, die AfD sei etwas Gutes. Aber dann bitte ohne Maske – viel Vergnügen beim Erklären. Auch dem Nachbarn.“

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