Millan und Co: Versuch einer Erklärung

Bela F. Wolf

Schauen Sie sich das Bild gut an. Wie viele Knochen sind gleich lang?

Gruppenzwang ist eine Frage der eigenen Persönlichkeit.

Hat man ein sehr kleines Ego und ein sehr großes Bedürfnis nach Anerkennung, sucht und erhält man Bestätigung und Anerkennung durch eine Gruppe Gleichgesinnter. Als Mitglied dieser Gruppe fühlt man sich gleich viel stärker und besser und kann gemeinsam gegen Außenstehende agieren. Dies gilt auch für Hundeführer.

Anders lässt es sich nicht erklären, dieses Phänomen der Massen, die allesamt Scheuklappenträger sind und sich nur wohl fühlen, wenn sie- gemeinsam stark- immer wieder für ihr illegal in die USA eingewandertes, mehrfach angezeigtes Idol ohne Ausbildung, aber mit Berufsverbot, in die Bresche springen. (Am Neandertaler Gen kann es natürlich auch liegen, aber das wäre zu einfach.)

Millanistas werden ohnehin nicht bis hier weitergelesen haben, denn dieser Gruppe reicht eine Überschrift, in der der verehrte Name schief erwähnt wird, um loszulegen.

Ich schreibe diesen Artikel daher für die Gegner von Cesar Millan. Für Hundehalter, die sich schon lange staunend fragen: Wie ist es möglich, dass ein einziger Mensch mit so viel offensichtlicher, durch Auftritte, Videos, Fotos und Anklagen belegter Brutalität, dennoch immer wieder und immer noch weltweit Fans und Nachahmer findet?

Egal wer wann wo diesen Namen ausspricht, schon sind sie da, die Millanistas, wie die sprichwörtlichen Aasgeier, wenn ein Rudel von ihnen irgendwo erfreut Leichenteile findet, die es zu zerfleddern gilt. Aasgeier sind aber im Vergleich zu obiger Gruppe ein nettes fröhliches Volk. Sie zerfleddern Aas, um satt zu werden. Millanistas hingegen folgen bloß kollektivem Wahnsinn, indem sie flügelschlagend und hysterisch kreischend (immer mit mindestens zehn Ausrufezeichen pro Satz und gerne auch in wutschnaubender Großschreibe) um sich geifernd den unantastbaren Gruppenhäuptling verteidigen.

Interessanterweise ausgerechnet jene, die nicht mal ihren eigenen Hund verteidigen würden, sondern ihn schutzlos absichtlich allem und jedem ausliefern und sogar noch bewusst nach allen Regeln der Kunst psychisch und physisch fertig machen.

Was Herrn M. nebenbei erwähnt ganz sicher am Allerwertesten vorbeigeht. Er ist längst zur populären Marke des Schreckens geworden und es wird Jahrzehnte dauern, die in den leeren Innenräumen der Millanistaschen Köpfe gespeicherte Information wieder zu löschen. Womöglich gelingt es nie. Es handelt sich beim Alpha Flüsterer um eine fast ähnliche Problematik wie beim Alpha Wolf, dessen nicht vorhandene Existenz sich ironischerweise ebenso hartnäckig in leerstehenden Körperteilen oberhalb des Halses festgesetzt hat.

An dieser Stelle bitte ich nicht zu vergessen, dass Tierärzte wie ich niemals neidig auf den abartigen Ruhm diverser hardcore Trainingsmethoden vermeintlicher Alpha Menschen sind. Wir leben davon, weil wir an verletzten Kehlköpfen, hervorquellenden Augäpfeln und zertrümmerten Gliedmaßen der Hunde post Millan verdienen. Es ist also nicht der Neid, der mich antreibt. Es ist das Mitleid mit unseren besten Freunden, eine Eigenschaft, die Millan Anhängern leider völlig fremd ist.

Ich habe lange nach einer Erklärung gesucht, warum man in diesen Kreisen weder als Tierarzt, noch als Forscher oder Kynologe ernst genommen wird, obwohl man mit Fachwissen ausführlich und verständlich erklärt, was genau den Hunden da angetan wird.

Ich bin müde, mich hier zu wiederholen. Im Anschluss an den Text verlinke ich die gefühlten hundert Artikel, die ich darüber schon geschrieben habe. Dort finden jene Leserinnen und Leser ganz detailliert die veterinärmedizinischen Konsequenzen für Hunde, auch für Laien verständlich beschrieben. Hier aber geht es um das Problem an sich.

Logischerweise erklärt man sich die Blindheit und Sturheit dieser fast zwanghaften Massen mit Empathielosigkeit. Anders kann man es kaum ertragen, denn kein normaler Mensch mit einem Funken Menschenverstand und Mitgefühl käme auf die Idee, seinen Hund zu strangulieren oder ihm aus dem feigen Hinterhalt mit den Beinen in die Weichteile zu treten, dass es nur so kracht, ihn absichtlich einer Horde anderer Hunde auszusetzen, damit er sich wasauchimmer mit denen ausmacht oder ihn mit einem Fahrrad oder Laufrad stundenlang so zu erschöpfen, bis er endlich klein beigibt und sich sogar willenlos Strangulationsmanövern ergibt. Manche sterben auch gleich. Und ehrlich, ich wäre auch lieber tot, als täglich von einem menschlichen Barbaren gequält, ein schmerzhaftes Leben als verhaltensgestörtes Wrack zu führen, das minütlich mit dem nächsten Überfall aus dem Hinterhalt rechnen muss. Selbst dann, wenn es sich völlig korrekt verhält.

Es sind die Unsensiblen unter den Menschen, die im Gegensatz zu den Hochsensiblen mit über 65 Prozent deutlich weltweit in der Überzahl sind. Aber sogar Empathie könnte man schlimmstenfalls erlernen, indem man auf andere hört, die einem zeigen, wie man es richtig macht, wenn man Mitgefühl, Herz und einen Funken Verstand besitzt.

Allein die Kommentare, die Sie nun auf diversen verlinkten Seiten unter diesem Artikel finden werden, sprechen Bände über die Verfasser. Auch darüber habe ich schon einige Male geschrieben. Sogar Erdmännchen sind gebildeter als manche Millanistas.

Spannend auch das Phänomen, dass vor allem weibliche Fans begeistert für ihren Held eintreten. Tagelange Diskussionen auf Erdmännchenniveau folgen, weil Millan doch der Retter aller Red Zone Hunde und auch sonstiger, menschlicher Inkompetenz verschuldeter, vierbeiniger Opfer ist und diese vor dem sicheren Euthanasietod bewahrt. (Man muss also nicht mal halbwegs gut aussehen, um das Clooney-Phänomen auszulösen. Oft gelingt sowas sogar mit honigfarbener Föhnwelle oder als Sitzzwerg in Uniform.)

Es gilt in jedem Fall, den Ruf des Diktators und Führers zu wahren, und ihn mit allen Mittel zu verteidigen! Nötigenfalls auch mit verbaler Diarrhoe. (Das heißt übersetzt Wortdurchfall, für Erdmännchen und Erdmänninnen, die doch bis hierher weitergelesen haben. Sorry, Erdmännchen!)

Warum ist das so?

Es gibt eine wissenschaftliche Erklärung für das Millan-Phänomen.

Alt, aber stimmig kann man dazu ganz wunderbar Herrn Asch und sein Konformitätsexperiment erklärend heranziehen.

Einer Gruppe von Testpersonen legte man Linien verschiedener Länge vor. Auf obigem Bild sehen Sie das Experiment mit von mir gezeichneten unterschiedlich langen Hundeknochen.

Die Frage ist simpel. Wie viele Knochen sind gleich lang?

Sie haben sich jetzt möglicherweise für die zwei kurzen Knochen entschieden.

Nun komme ich und sage Ihnen, dass Ihre Antwort ganz sicher falsch ist.

Sie prüfen das Ergebnis nochmal nach.

Sind Sie wirklich sicher, dass die beiden kurzen Knochen gleich lang sind?

Asch's Experiment mit den Linien verlief so: "Die Probanden passten sich bei etwa einem Drittel der Durchgänge trotz offensichtlicher Fehlentscheidung der Mehrheit an. Nur ein Viertel der Versuchspersonen ist unbeeinflusst geblieben, sie machten auch in den 12 manipulierten Durchgängen keinen Fehler. Es ergab sich folgender Zusammenhang: je größer die Gruppe ist, desto mehr Konformität wird erzeugt. Mit steigender Gruppengröße nähert sich die Konformitätsrate asymptotisch einer Geraden an."

Q.e.d.

Was zum Abschluss die einzelnen Brutalo-Helden der inländischen Hundeszene betrifft, deren Namen hier anzuführen eine endlose Geschichte wäre, so darf ich sagen, es stammt nicht alles an Grauen allein aus Millans Gruselkabinett. Ein paar Trittbrettfahrer gibt es wohl, die in seiner Sonne erstrahlen, aber wir haben auch genug eigene kreative Köpfe, die ihr schwarzverdientes Körberlgeld einsacken, indem sie sich zehnerblockweise privat als einfühlsame Hundedompteure aufspielen und dann auch noch stolz berichten, wie sie ihren tierischen Klienten den Stock oder die Reitgerte über den Schädel gezogen haben. Weil die Hunde versucht haben, sich gegen die endlose Würgerei und das Stranguliert werden zu wehren.

Überlegen Sie gut, wem Sie glauben. Überlegen Sie noch besser, welchem Trainer Sie Ihr Tier anvertrauen. Bleiben Sie immer dabei und sehen Sie zu, wenn Sie Ihren Hund jemand zur "Erziehung" anvertrauen. Machen Sie sich auf das Schlimmste gefasst, denn die Mehrzahl der Hundetrainerinnen und Hundetrainer in Österreich sind gewaltbereit ohne Ende. Und als ob das alles noch nicht schlimm genug wäre, finden viele Hundehalterinnen und Hundehalter brutale und tierquälerische Methoden, selbst wenn sie diese mit eigenen Augen ansehen mussten, durchaus in Ordnung. Sie laden dann sogar abschließend den supertollen Trainer zum Grillen ein und empfehlen ihn dankend weiter.

Ein Hieb zwischen die Augen und der Hund ist sein ganzes Leben lang traumatisiert.

Es kann doch nicht sein, dass dies jemand ernsthaft als „Erziehungsmethode“ für seinen Hund gut findet?

In diesem Sinne: Bühne frei für die Fans!

Herzlichst, Bela Wolf

Tierarzt, Journalist und Autor

www.tierarzt-wien.com

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https://www.fischundfleisch.com/tierarzt/warum-hunde-treten-wenn-auch-reden-geht-24988

https://www.fischundfleisch.com/tierarzt/polizeihundeausbildung-neu-auf-millanmethode-wird-verzichtet-30173

https://www.fischundfleisch.com/tierarzt/cesar-millan-live-in-der-stadthalle-wo-bleibt-der-aufschrei-32685

https://www.fischundfleisch.com/tierarzt/was-sie-immer-schon-ueber-cesar-millan-fans-wissen-wollten-39622

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